Die Geschichte der Cannabis-Samenbanken
Die Geschichte der modernen Cannabiszucht
Die Geschichte der Cannabis-Samenbanken und der Cannabiszucht ist eng mit dem Engagement enthusiastischer Breeder verbunden, die für ihre Liebe zur Cannabispflanze ihre Freiheit riskiert haben und dies auch heute noch tun.
Die moderne Cannabiszucht entstand aus dem kalifornischen Traum der 1960er, wo sich fast alles um Musik, bewusstseinserweiternde Substanzen und die freie Liebe drehte. Gras war mehr als eine Droge zum high Werden – der Joint wurde Ausdruck des Protests, um gegen bestehende Verhältnisse zu rebellieren.
Kalifornien war als Geburtsort der Bewegung aufgrund seines mediterranen Klimas auch ein Ort, wo Cannabis prächtig gedieh. So fingen Ende der 1960er Jahre die ersten Pioniere an, verschiedene Cannabis-Sorten untereinander zu kreuzen, um deren Eigenschaften zu kombinieren.
Das Saatgut stammte meist aus Mexiko oder karibischen Staaten wie Kolumbien, Jamaika oder Panama. Die legendärsten Sorte aus dieser Zeit sind „Accapulco Gold“ oder „Haze“. Letzteres wurde von einem kalifornischen Bruder- und Breederpaar, den „Haze-Brothers“, aus den damals besten Sativas aus Kolumbien, Mexiko, Thailand und Südindien gekreuzt.
Die ersten Cannabis-Samenbanken entstehen
Die Cannabis-Pioniere hatten mit den süd- und mittelamerikanischen Pflanzen allerdings ein grundlegendes Problem: Bei all diesen Sorten handelte es sich ausschließlich Sativas, die im weiter nördlich gelegenen Kalifornien nicht richtig ausreifen konnten.
Doch mit dem Hippie-Trail wurde auch der Mittlere und Ferne Osten in den 1970er Jahren Reiseziel US-amerikanischer Hippies. So brachten nicht nur die „Brotherhood of Eternal Love“ Indica-Saatgut aus Indien, Nepal und Pakistan mit nach die Kalifornien. Das Einkreuzen der Indica-Genetik erwies sich aufgrund der kürzeren Blüteperiode als der entscheidende Schritt für die Cannabis-Produktion in nördlichen Breitengraden.
Als einflussreichste Vertreter dieser ersten Breeder-Generation Kaliforniens gelten David Watson aka Sam the Skunkman, Medecino Joe aka Romulan Joe und Maple Leaf Wilson.
Die von ihnen gegründete Cannabis-Samenbanken „Sacred Seeds“ konnte ein paar Jahre Cannabis-Samen in den USA verkaufen, bis sie Anfang der 1980er Jahre ins Visier der Behörden geriet. Nach dem Bust und der Schließung von Sacred Seeds im Jahr 1982 entschied man sich, die Aktivitäten in die Niederlande zu verlegen.
Die fetten Jahre der Cannabis-Samenbanken
Parallel zur kalifornischen Cannabis-Kultur hatte sich in den Niederlanden in den 1970er Jahren eine Duldungs-Politik etabliert, in deren Rahmen Coffeeshops und Dealer sehr offen und frei agieren konnten. Doch aufgrund des kühlen Klimas hatte man in den Niederlanden bis dahin so gut wie keine Erfahrung in Sachen Cannabis-Anbau. In den Shops gab es nur importiertes Hasch und ziemlich schlechtes Gras aus Afrika oder Südamerika, Cannabis-Samen gab es gar nicht.
In Amsterdam trafen die Kalifornier, die einen großen Teil ihrer Genetik vor der DEA (Drug Enforcement Administration) retten und in die Niederlande schmuggeln konnten, dann auf den jungen Australier Neville Schoenmakers. Der wiederum verfügte über eigenes Landrassen-Saatgut, das er von seinen Weltreisen mitgebracht hatte.
Man tauschte sich aus und bald darauf eröffnete Schoenmakers 1984 mit „The Seed Bank of Holland“ die erste Cannabis-Samenbank der Welt. Eine seiner Sorten war das von der Sacred Seed-Gang mitgebrachte, kalifornische Skunk#1, das alsbald zum Bestseller und Urmutter sehr vieler Cannabis-Hybriden wurde. Andere Frühwerke Nevilles wie „Afghan No.1“ oder „Mazar“ besitzen heutzutage ebenfalls Legendenstatus.
Um in Ruhe neue Sorten schaffen zu können, ließ sich Schoenmakers kurz nach der Gründung seiner Cannabis-Samenbank im Cannabis Castle, einem Herrenhaus im niederländischen Arnheim, nieder. Dort fing er unter besten Bedingungen an, seine eigene und die kalifornische Genetik untereinander zu kreuzen.
Anders als in Kalifornien wurde in den Niederlanden jedoch ausschließlich in Gewächshäusern sowie unter Kunstlicht angebaut. Das traditionelle Wissen und die Kreativität um den Anbau unter Kunstlicht in den Niederlanden katapultierte den Cannabis-Anbau daraufhin in bislang ungeahnte Dimensionen. So entstand Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre gleichzeitig mit den ersten Cannabis-Samenbanken auch die Grundlage für das, was heute „Homegrowing“ heißt.
Im Cannabis Castle wurden dann ab 1987 Cannabis-Legenden wie „.Northern Light # 5 Haze“ erschaffen. Schoenmakers Seed Bank handelte weltweit mit Samen und verkaufte auch in die USA, wo Cannabis-Samen verboten waren. Der Australier galt Ende der 1980er Jahre, lange vor Arjan Roskam von Greenhouse Seeds, als der wahre „King of Cannabis“.
Dann krempelte die „Operation Green Merchant“ die neue Branche komplett um. US-Behörden beschuldigten Nevilles „Seed Bank of Holland“ sowie das „High Times“ und das „Sensimilla“ Magazin im Jahr 1989 des internationalen Drogenhandels und wollte den Akteuren habhaft werden.
Zwar lieferten die Niederlande Schoenmakers nicht an die USA aus, aber er verkaufte seine Cannabis-Samenbank an den jungen Ben Dronkers. Der hatte 1985 mit “Sensi Seeds” die erste rein niederländische Cannabis-Samenbank gegründet und nannte sein Unternehmen nach dem Kauf der “Seed Bank of Holland” in “Sensi Seed Bank” um.
Von Sensi Seeds zur Sensi Seed Bank
Vor der Gründung von Sensi Seeds war auch Ben Dronkers auf dem gesamten asiatischen Kontinent unterwegs, um Cannabis-Genetik zu sammeln. Genau wie Schoenmakers hatte Dronkers im Amsterdam der frühen 1980er Jahren Zugang zu einigen Skunk-Hybriden aus Kalifornien bekommen, kreuzte sie und erschuf so erste Sensi-Strains wie „Early Girl“ oder „Early Pearl“, die heute den Status einer Legende innehaben.
Als sein Kollege, Konkurrent und Freund Schoenmakers dann auf der Flucht vor der DEA war, konnte er mit der Übernahme der des Cannabis Castles und der „Seed Bank of Holland“-Genetik sowie seinen eigenen Kreuzungen den Grundstein für die Sensi-Erfolgsstory legen, die bis heute anhält.
Schoenmakers und Greenhouse Seeds
Schoenmakers musste sich aus vorab erwähnten Gründen beruflich ein paar Jahre zurückhalten und gründete dann 1997 zusammen mit Arjan Roskam die Firma Greenhouse Seeds. Die Zusammenarbeit mit Breeder-Legende Shantibaba erwies sich in den ersten Jahren als äußerst fruchtbar.
„Neville‘s Haze“, „G13xHashplant“ oder „Super Silver Haze“ kann man getrost als Meilensteine der Cannabiszucht bezeichnen. Nachdem Neville und Shantibaba mit ihren Kreationen fast alle Preise und Pokale im Rahmen weltweiter Cannabis-Cups abgesahnt hatten, verließen beide Greenhouse Seeds aufgrund interner Streitigkeiten.
Shantibaba gründete zusammen mit dem ehemaligen Haschschmuggler Howard Marks „Mr.Nice Seeds“ und wurde später Mitbegründer eines medizinischen Breederkollektivs, der „CBD-Crew“.
Schoenmakers ging bald schon zurück nach Australien und konnte dort seit 2015 federführend an der Entwicklung des staatlichen Anbauprogramms für medizinisches Cannabis mitarbeiten. Er starb 2019 im Alter von 62 Jahren im australischen Osbourne Park.
Die Produktion verlagert sich nach Spanien
Bis zum Jahr 2000 hatten sich in den Niederlanden aufgrund der sehr liberalen Gesetzeslage zahlreiche Cannabis-Samenbanken etabliert. Darunter auch heute noch wohlklingende Namen wie “Paradise Seeds”, „Dutch Passion”, “Barneys Farm”, “Royal Queen Seeds”.
Zur gleichen Zeit experimentierte ein ambitioniertes Breeder-Kollektiv im Baskenland mit einer bereits bekannten Technik, die unter echten Cannabis-Enthuisiasten damals noch als ziemlich uncool galt: Dem Feminisieren.
Feminisiertes Saatgut wird chemisch behandelt und erzeugt fast ausschließlich weibliche Nachkommen. Das Breeder-Kollektiv um den Growshop “La Mota” im spanischen San Sebastian unternahm 1999 erste Versuche, niederländisches und eigenes Saatgut in immer größerem Stil zu feminisieren.
Nach ein paar Jahren war man in der Lage, fast jede Sorte als verweiblichte Variante anzubieten und Spaniens größter Samenhändler, die Firma “Dinafem”, war geboren.
Fast zeitgleich fing man in den Niederlanden an, der Cannabis-Industrie Schritt für Schritt die rechtliche Grundlage zu entziehen. Aufgrund der Verschärfung zahlreicher Gesetze wurde es immer schwieriger, in den Niederlanden Samen zu produzieren. Spätestens das Growshop-Gesetz aus dem Jahr 2015 hat dann dafür gesorgt, dass die einst blühende Samenlandschaft niederländischer Breeder ihre Aktivitäten fast komplett nach Spanien verlegt hat.
Dort ist es insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Cannabis Social Clubs bis heute möglich, Cannabis-Samen zu züchten. Auch spanische Cannabis-Samenbanken haben die Zeit und die liberale Gesetzeslage genutzt, gute Cananbis-Samen zu produzieren. “Kannabia”, “Sweed Seeds” oder “Linda Seeds” stehen beispielhaft für diese Entwicklung. Nicht nur diese drei haben im Laufe des vergangenen Jahrzehnts viele, leckere Sorten gezüchtet und sich so in Growerkreisen einen guten Ruf erarbeitet.
Doch auch in Spanien gibt es viel Duldung und wenig Rechtssicherheit. So wurden die Pioniere von “Dinafem”, “La Mota” und “Humboldtseeds” jüngst in einer groß angelegten Aktion hochgenommen. Seitdem ist die Zukunft der größten spanischen Cannabis-Samenbank mehr als ungewiss und der Rest der Branche harrt der Dinge und hofft auf Nachsicht, Milde oder Toleranz.
Neben den bereits erwähnten, regulären und feminisierten Saatgut züchten fast alle Cannabis-Samenbanken heutzutage Kreuzungen regulärer oder feminisierter Cannabissorten mit Ruderalhanf-Sorten, so genannte Automatic oder Autoflower-Sorten.
Die Automatic-Sorten
Cannabis ruderalis, der Ruderalhanf, wurde erstmals 1942 in Sibirien als eigene Art identifiziert und wissenschaftlich beschrieben. Ruderalhanf blüht nicht abhängig von der Photoperiode, sondern ungefähr acht Wochen nach seiner Aussaat ganz von selbst. Das dafür verantwortliche Gen kommt in allen Hanfsorten vor, ist jedoch nur beim Cannabis ruderalis aktiv.
Anfang des Jahrtausends hatte Joint Doctor, ein europäischer Breeder, mexikanische Samen einer Kreuzung aus einer „Mexican Sativa“ und einer Ruderalis erhalten. Die kaum potente Sorte nannte er „RudiMex“, kreuzte deren Saatgut mit einer „Williams Wonder x Northern Lights“ und stabilisierte die Eigenschaften durch natürliche Selektion über mehrere Generationen hinweg.
Er nannte sein Baby „Lowryder“, womit die erste kommerzielle Automatic-Sorte geboren war. Joint Doctor entwickelte die Lowryder 2 und kreuzte sie mit einer „New York City Diesel“. Das Ergebnis hieß „Diesel Ryder“ und war erste selbst blühende Pflanze, die mit 17-19% Wirkstoffgehalt endlich fast so potent wie das Original und mit einer Höhe von bis zu 70 Zentimetern auch ertragreicher als ihre Vorgängerinnen war.
Jetzt fingen auch andere Cannabis-Samenbanken an, sich für die „Lowryder-Genetik“ zu interessieren. Heute gehören Automatic-Strains ins Sortiment fast jeder Cannabis-Samenbank. Automatik Samen erfreuen sich besonders in Südeuropa sehr großer Beleibteit, da die verkürzte Blüh- und Wachstumsphase bis zu drei Ernten im Jahr ermöglicht.
Allerdings weisen Automatic-Varianten aufgrund der verkürzten Entwicklungszeit auch einen niedrigeren Wirkstoffgehalt als regulären oder feminisierte Pflanzen der gleichen Sorte auf.
Das Verbot verhindert die notwendige Transparenz
Es gibt viele Pioniere unter den meist anonymen Breedern, die Elementares geleistet und so den Erhalt und der Weiterentwicklung der Cannabis-Kultur garantiert haben. Mittlerweile ist die Zahl großer und kleiner Cannabis-Samenbanken in Spanien jedoch unüberschaubar – und wo viel (Kunst)-Licht ist, gibt es auch Schatten.
Das Endprodukt, die Samen, sind zwar in den meisten EU-Ländern legal, aber leider gibt es aufgrund der illegalen Produktion immer noch keine Standardisierung, auf die sich die immer zahlreich werdenden Hersteller einigen konnten. So ist der Markt mittlerweile selbst für Insider kaum noch überschaubar, es werden mehr Originale angeboten, als es eigentlich geben kann.
Wichtige Eckdaten zu Ertrag oder Größe sind oft nicht miteinander vergleichbar, weil jede Cannabis-Samenbanken von anderen Parametern ausgeht. Damit sich die Fortsetzung dieser Geschichte in ein paar Jahren nicht mehr liest wie ein Krimi, wäre eine Regulierung von Cannabis längst überfällig.
So könnten Pioniere und Start-Ups endlich die lange verdiente Rechtssicherheit erhalten, die ihnen bis heute fehlt. Doch auch die Cannabis-Samenbanken selber, besonders die alt eingesessenen und weltweit bekannten Cannabis-Samenbanken sind hier gefragt.
Cannabis-Samenbanken mit Millionenumsätzen könnten sich endlich einmal wie echte Profis zusammensetzen und für eine längst überfällige, gemeinsame Standardisierung und Kategorisierung von Namen, Sorten und anderen Parametern sorgen.
Nur wenn man hier und auch in anderen Bereichen zusammenhält und -arbeitet, werden illegale Legenden und ihre Erschaffer einer sorgenfreien, weil legalen Zukunft entgegensehen.
Der Artikel „Die Cannabis-Samenbanken“ ist am 24. Oktober 2020 erschienen.
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