High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)

High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)

Anbaumethoden und Pflanzen-Training

Der Begriff “Anbaumethode” wird beim Cannabis Grow vielseitig genutzt. Einerseits fallen darunter die Kategorien Erde-Grow, Hydroponik, Aeroponik und Chemie- oder Bio-Grow. Doch andererseits kann dieser Begriff auch für die Beeinflussung des Pflanzenwachstums genutzt werden. Viele sprechen hier von “Pflanzen-Training”: Man “trainiert” die Pflanze anders zu wachsen, als sie es normalerweise tun würde. Der einfachheitshalber wird in diesem Artikel daher der Begriff Training genutzt.

Hauptsächlich unterscheidet man beim Pflanzen-Training zwischen zwei Varianten: dem High-Stress-Training (HST) und dem Low-Stress-Training (LST). Auch wenn es eigenartig klingt, doch auch eine Pflanze kann gestresst sein/werden. Doch anders als zum Menschen reagieren Pflanzen auf Stress mit verändertem Wachstum. Dabei kommt es jedoch auf die Art des Stresses an: durch HST/LST gezielt zugefügter Stress kann sich positiv auf das Wachstum auswirken. Hitze- oder Kältestress hingegen sind schlecht für die Pflanzen und enden meist in einem kompletten Wachstumsstopp oder Verbrennungen.

Low-Stress-Training (LST)

Low-Stress-Training ist die etwas sanftere Art das Wachstum der Pflanze zu beeinflussen: Es wird stets darauf geachtet, der Pflanze möglichst wenig Schaden zuzufügen oder sie zu verletzen. Das Schöne an LST ist, dass man eigentlich nicht viel falsch machen kann und somit auch Anfänger größere Ernten erzielen und Erfahrung sammeln können.

Das LST kann mit normalen wie auch mit Automatik-Sorten durchgeführt werden. Da man wenig Schaden verursacht, haben auch die meisten Automatik-Strains kein Problem damit.

Runterbinden

High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)
Seo of Green ist eine Low-Stress-Training-Methode

Das Runterbinden von Pflanzen ist eine der sichersten Methoden, bei der man mit etwas Gefühl nichts falsch machen kann. Bei dieser Methode werden entweder die Seitentriebe oder gleich der gesamte Hauptstamm vorsichtig nach unten gebogen. Mittels Schnüren, Haken oder Drähten werden diese dann bspw. am Topf fixiert. Somit wird die Pflanze in die Breite gelenkt und neue Triebe, die aus den gebogenen Pflanzenteilen wachsen, werden sich entlang der Horizontalen verteilen und nach oben wachsen. Die Pflanze wird buschiger und kann somit mehr Licht aufnehmen, welches in Wachstum und später in die Blüte gesteckt werden kann. Die Ernte kann damit üppiger ausfallen als normal.

Super Cropping

Das Super Cropping bezeichnet das Umbiegen des Hauptstammes und/oder einzelner Triebe. Man nimmt dabei den Stamm/Trieb zwischen zwei Finger und knetet ihn leicht, dadurch wird das Pflanzengewebe etwas weicher. Anschließend wird der Stamm/Trieb um bis zu 90°Grad umgeknickt. Dabei muss stets darauf geachtet werden, dass der Stamm/Trieb im besten Fall wirklich nur geknickt und nicht aufgeplatzt ist.

Durch dieses Umknicken ist ein Schaden entstanden, den die Pflanze heilen möchte. Das Resultat ist, dass das Höhenwachstum unterbrochen wird und die Pflanze viel Energie in die Reparatur der Schadensstelle steckt. Somit werden auch die Pflanzenteile hinter dem Knick mit mehr Energie versorgt und in der Blüte kann es sogar das Wachstum der Blüten positiv beeinflussen.

Auch wenn man denken könnte, dass das Umknicken des Hauptstammes oder Seitentriebe nur schwer für die Pflanze zu verkraften ist, vergisst man oft die Tatsache, dass so etwas auch in der Natur passiert. Wenn es draußen heftig stürmt, knicken einzelne Triebe ab und damit wissen Cannabispflanzen umzugehen.

Beispiel für Low-Stress-Training (LST)

Das beste Beispiel für Low-Stress-Training ist der Sea-of-Green (SoG). Bei dieser Art des Cannabis Anbaus arbeitet man hauptsächlich mit Super Cropping und Runterbinden, um einen ebenmäßigen Blätter- und Blütenteppich zu schaffen.

High-Stress-Training (HST)

High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)
Screen-of-Green ist eine High-Stress-Trainings-Methode

Beim High-Stress-Training geht es darum, der Pflanze gezielt Schaden zuzufügen, um ihr Wachstum zu manipulieren. Doch auch hier muss mit Vorsicht gearbeitet werden, denn nur ein gewisses Maß an Schaden wirkt sich positiv aus, zu viel davon kann einen Wachstumsstopp hervorrufen. Daher ist das HST eher etwas für geübte Grower und sollte bei Automatik-Strains tunlichst vermieden werden.

Durch das HST kann man den Ertrag der Pflanzen deutlich steigern, da es die Möglichkeit bietet mehrere “Head-Buds” alias Hauptblüten zu erzeugen oder eine Pflanze mit deutlich mehr Energie zu versorgen.

Topping/Fimming

Das Toppen ist eine der bekanntesten Methoden des HST. Man schneidet dabei die Spitze des Haupttriebes komplett ab, etwa 1-2 cm unterhalb des Triebs. Dadurch wird das Wachstum in die Höhe stark gebremst und die Pflanze lenkt alle Energie in die Reparatur der Schnittstelle und den Trieben darunter. Die Energie in Form von Wachstumshormonen bewirkt zusätzlich die Bildung zwei neuer Haupttriebe, links und rechts neben der Schnittstelle. Kurz gesagt, die Pflanze wird buschiger, bekommt mehr Blüten und wächst nicht allzu hoch.

Das Fimming ist dem Topping sehr ähnlich. Der Begriff kommt aus dem englischen und bedeutet “F*ck I missed” – auf Deutsch “Mist, daneben”. Genauer betrachtet ist diese Art des Pflanzen-Trainings durch schlampiges Beschneiden entstanden: Beim Fimming wird nur 75 % des neuen Triebs abgeschnitten, sodass noch 25 % stehen bleiben und ebenfalls einen Heilungsprozess in die Wege leitet. Das Interessante an dieser Methode ist, dass in vielen Fällen so viele Wachstumshormone ausgeschüttet werden, dass die Pflanze es schafft teilweise sogar bis zu 4 neue Triebe hervorzubringen.

Topping und Fimming sind nur in der Wachstumsphase anzuwenden und stets mit Vorsicht zu genießen. Theoretisch kann man nicht nur den Haupttrieb, sondern auch die Seitentriebe beschneiden. Allerdings sollte man nicht zu viel auf einmal oder zu oft Toppen/Fimmen, da die Wachstumsphase mit jedem Beschnitt etwas verlängert wird oder gänzlich stoppt.

Lollipoping

High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)
Lollipopping, eine High-Stress-Training-Methode

Der Begriff “Lollipopping” kommt von dem äußeren Erscheinungsbild der so trainierten Pflanzen. Es werden bei dieser Methode sämtliche untere Triebe entfernt, die nicht genug Energie oder Licht durch die oberen Triebe abbekommen. Insbesondere wenn die Blüte eingeleitet wird, werden diese Triebe keine nennenswerten Ergebnisse erzielen – sogenannte Popcorn-Buds. Und dennoch entziehen sie der Pflanze Energie, die genauso gut in die oberen, gut ausgeleuchteten Triebe gesteckt werden könnte.

Aus diesem Grund werden diese unteren Seitentriebe in den späteren Wachstumswochen und vor Einleitung der Blüte entfernt. Dabei sollte man allerdings schrittweise vorgehen, da auch hier ein Wachstumsstopp durch zu viel Schaden riskiert wird. Sind dann alle unteren Triebe und Blätter entfernt, sieht die Pflanze einem Lollipop sehr ähnlich und wird alle Energie in die oberen Triebe stecken.

Auch während der Blütephase sollte man hin und wieder den Stiel der Pflanze kontrollieren. Hin und wieder bilden sich dort neue kleinere Triebe, welche entfernt werden sollen, bevor sie zu größer werden und somit auch mehr Schaden beim Entfernen verursachen. Somit ist ein guter Energiefluss gegeben und die Blüten werden größer und dichter.

Main-Folding/Main-Lining

Das Main-Folding und Main-Lining sind zwei Methoden, die zusammengehören. Doch gleich zu Beginn sei gesagt, dass dies ein sehr starker Eingriff ins Wachstum einer Pflanze ist, somit die Wachstumszeit enorm verlängern kann und nur von erfahrenen Growern durchgeführt werden sollte.

Man beginnt mit dem Main-Folding. Man lässt die Pflanze ihr Wachstum fortsetzen bis sie ca. 5-6 Nodien (Blattknoten) gebildet hat und schneidet dann radikal bis zur dritten Nodie alles ab. Auch unter halb des dritten Blattknotens wird das gesamte Wachstum, also Triebe und Blätter entfernt. Was übrig bleibt, ist ein langer kahler Stängel der in einem Y endet, dessen obere Arme die beiden Triebe der dritten Nodie bilden. Diese Triebe werden mit Drähten oder Schnüren am Topf befestigt und somit möglichst horizontal gebogen, dass ein großes T entsteht. Doch dabei muss man sehr vorsichtig sein, da die Triebe in diesem Stadium noch sehr schnell abbrechen.

High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)
Topping, oder das Entfernen der Blütenspitze

Dieser Prozess wird ähnlich auch mit den oben genannten Trieben wiederholt, sobald diese wieder 4 Nodien gebildet haben. Allerdings kommt hier dann das Main-Lining ins Spiel: Man entfernt das Pflanzenmaterial auch wieder bis zur dritten Nodie, doch diesmal werden nur die Blätter und Triebe der zweiten Nodie entfernt. Somit können an der ersten und dritten Nodie weitere Triebe entstehen.

Durch das zusätzliche Herunterbinden der neuen Triebe erlaubt das Main-Foling und Main-Lining dem Grower eine Art umgedrehten Kronleuchter aus Trieben zu schaffen. Dieser “Kronleuchter” kann dank der Schnüre oder Drähte so justiert werden, dass alle Triebe und somit auch die später daran entstehen Blüten mit der optimalen Beleuchtung zu versorgen. Alle diese Triebe haben dann das Potenzial große “Head-Buds” zu erzeugen, wie man sie sonst nur einmal an einer Pflanze erzielen würde.

Beispiel für High-Stress-Training (HST)

Das beste Beispiel für das High-Stress-Training ist der Screen-of-Green. Diese Anbaumethode ist eine Kombination aus Topping, einer leichten Abwandlung des Main-Linings und später auch Lollipopping. Die Pflanzen werden bei dieser Methode getoppt oder gefimmt, um mehr Triebe zu bilden. Ähnlich wie beim Main-Lining werden die Triebe festgebunden, in diesem Fall an einem über den Pflanzen befindliches Netz. Dadurch wird die Fläche der Pflanzen größer, ihr Höhenwachstum wird gestoppt und wandert in das horizontale Wachstum. Um später noch das Maximum aus seinem Blütenteppich herauszuholen, wird die Lollipopping-Methode angewendet und alle Triebe unterhalb des Netzes entfernt.

Fazit

Das Tolle an Low- und High-Stress-Training ist, dass man sie bunt durcheinander kombinieren kann, solange man der Pflanze nicht zu viel Schaden auf einmal zufügt. Durch dieses Training kann man nicht nur das Höhenwachstum seiner Pflanzen kontrollieren, was insbesondere in Growboxen hilfreich sein kann. Man kann auch gleichzeitig die Erträge der Pflanzen steigern und somit eine deutlich größere Ernte einfahren.

Als Anfänger sollte man jedoch stets mit dem Low-Stress-Training beginnen, um ein Gefühl für die Manipulation des Wachstums einer Pflanze zu bekommen. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass jede Sorte unterschiedlich auf bestimmte Trainingsmethoden reagiert: Manche können nur durch Training ihr volles Potenzial entfalten, andere wiederum können sehr negativ auf Training reagieren und ihr Wachstum einstellen oder Mutationen bilden.

Der Artikel „High-Stress-Training (HST) und Low-Stress-Training (LST)“ von Mr. Haze Amaze ist am 4. Dezember 2021 erschienen.